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Offener Brief: Rettet das Berliner Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas!

An: Joe Chialo, Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Manja Schreiner, Berliner Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt


Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin ist unmittelbar in Gefahr. Die Deutsche Bahn übt Druck auf den Berliner Senat aus, um eine neue S-Bahnlinie direkt unter dem Denkmal zu genehmigen. Für die sogenannte S21 müsste alter Baumbestand in großem Umfang weichen, der für Dani Karavans künstlerische Vision von zentraler Bedeutung

ist. Ohne diese Bäume wären die einzigartige Atmosphäre und die Ruhe der Gedenkstätte zwischen Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor dauerhaft zerstört. Für die Angehörigen der Minderheit der Sinti und Roma ist das Denkmal ein sensibler Ort der Erinnerungen an das Leid der Opfer und den eigenen Verlust – ein symbolisches Grab.

»Mein Vater, meine Mutter, meine Schwestern und mein kleiner Bruder wurden in Vernichtungslagern der Nazis ermordet und haben kein Grab, an das ich gehen und Blumen legen könnte. Einen Ort, an dem ich stillstehen und in meinen Gedanken mit ihnen zusammen sein kann. Das ist ein großer Verlust. Ich betrachtete dieses Denkmal als das Grab meiner Familie. […] Ich fordere diejenigen, die die Strecke der neuen S-Bahn planen, auf, die Wünsche der Sinti und Roma-Gemeinschaft in Deutschland und darüber hinaus zu berücksichtigen. Die einzige gute Lösung ist eine alternative Route, damit unser Denkmal nicht beschädigt und Frieden garantiert wird. […] Lasst unser Denkmal unberührt, damit unsere Toten ihre ewige Ruhe finden.«

So Zoni Weisz 2021, der als Kind den Völkermord an den Sinti und Roma in den Niederlanden überlebte und seine ganze Familie verlor.

Mit dem Denkmal bekennt sich die Bundesrepublik symbolisch zu ihrer Verantwortung für die an den Sinti und Roma verübten Verbrechen. Dessen Errichtung im Herzen Berlins ist ein Kernstück historischer und politischer Verantwortung in der Gegenwart, in Deutschland wie auch in Europa, ein Mahnmal gegen das Vergessen. Der Genozid wurde in der BRD erst 1982 anerkannt, und es dauerte dreißig weitere Jahre politischen Kampfes, bis das Denkmal 2012 eingeweiht werden konnte – 67 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und 20 Jahre nach der ersten Absichtserklärung des Bundes, ein solches Denkmal zu errichten.

Im Sommer 2020 erfuhren die Öffentlichkeit und die Angehörigen der Minderheit der Sinti und Roma durch die Presse vom geplanten Bau der S-Bahn-Trasse S 21 und von den damit verbundenen Beeinträchtigungen der Gedenkstätte. Nach zahlreichen Protesten und Verhandlungen wurde schließlich die »Variante 12h« als »Kompromissvorschlag« vorgelegt. Doch auch dieser zieht die Abholzung eines Großteils der umliegenden Bäume und damit die Zerstörung des Gesamtkunstwerks nach sich.


Der israelische Architekt Dani Karavan, Schöpfer des Mahnmals, sagte vor seinem Tod im Mai 2021: »Die Bäume sind ein integraler Bestandteil des Denkmals und ein entscheidendes Element der Atmosphäre, die ich schaffen wollte. Wenn die Bäume in irgendeiner Weise verändert werden, wird die Lichtung ihre Eigenschaften verlieren und die einzigartige Atmosphäre des Denkmals wird beschädigt. Jede Veränderung an den Bäumen würde die Abgeschiedenheit des Denkmals von der Stadt zerstören und seine Funktion als Ort der Kontemplation und Meditation drastisch beeinträchtigen.«


Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, verantwortlich auch für das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas, stellt fest: Ihren gesetzlichen Auftrag, die Erinnerung an die ermordeten Sinti und Roma Europas und deren Würdigung, könnte sie mit der Variante 12h nicht mehr in geeigneter Weise sicherstellen.


Die Berliner Regierung will die Baupläne nun rasch vorantreiben. Mit einem Vorlauf von nur einer Woche wurden Vertreter*innen von NGOs der Sinti und Roma, Noa Karavan, Tochter von Dani Karavan sowie die Stiftung Denkmal am 28. September zum Gespräch geladen. Bis zum 13. Oktober sollen »konkrete Verbesserungsvorschläge zum vorliegenden Vorschlag (Bauvariante 12h)« vorliegen.

Das Ziel des Berliner Senats ist eine »rasche Festlegung auf die Variante 12h, um laufende Kosten und geschätzte Baukostensteigerung im Millionenbereich zu vermeiden.« Alternative Trassenführungen, die das Denkmal für die Sinti und Roma unberührt ließen, werden aus Kostengründen nicht mehr in Erwägung gezogen. Lassen wir zu, dass die Interessen der Deutschen Bahn, Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn, die die Opfer in die Konzentrations- und Vernichtungslager transportierte, das Gedenken an die Toten zerstören?


Wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner und die Mehrheit der Sinti und Roma lehnen den Vorschlag ab! Er zerstört das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas unwiderruflich. Er entehrt die Opfer, die Überlebenden und deren Nachkommen. Er greift das Engagement der deutschen Gesellschaft für die Erinnerung an die vergangenen Verbrechen fundamental an.

Es ist nicht die Aufgabe der betroffenen Minderheit, nach alternativen Lösungen für die Variante 12h zu suchen, sondern die moralische und politische Verpflichtung aller Deutschen, sich für die Unversehrtheit des Denkmals einzusetzen.

Wir fordern den Berliner Senat auf, keine weiteren Schritte einzuleiten, bevor eine Trassenführung gefunden wird, die das Denkmal in seiner Gesamtheit unangetastet lässt.


Erstunterzeichnende: Hava Karavan, Ehefrau von Dani Karavan Noa Karavan-Cohen, Tochter von Dani Karavan Tamar Karavan, Tochter von Dani Karavan Yael Karavan, Tochter von Dani Karavan Hamze Bytyçi, Vorstandsvorsitzender von RomaTrial e.V. Romeo Franz, Mitglied des Europäischen Parlaments Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas Alexandra Senfft, Autorin Daniel Strauß, Leiter von RomnoKher


Hier können Sie die weitere Unterzeichner*innen einsehen und selbst unterzeichnen:

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